Kleisthenes

Kleisthenes
I
Kleisthenes
 
Nach dem Sturz des letzten Peisistratiden kam es in Athen im Jahr 508 v. Chr. erneut zu Machtkämpfen des Adels um das Archontat, in denen sich schließlich mit Unterstützung des durch Reformversprechungen gewonnenen Demos der Alkmeionide Kleisthenes, Archon 525/24, gegen seinen Widersacher Isagoras durchsetzen konnte.
 
Kern der kleisthenischen Reform, der ersten Repräsentativverfassung der Welt auf lokaler Grundlage, war eine neue Phylenordnung: Die vier alten Phylen, der politischen und militärischen Organisation Attikas dienende Personenverbände, behielten sakrale Aufgaben, doch schuf Kleisthenes zehn neue Phylen, die auf der Einteilung Attikas in drei Regionen: die Stadt Athen (Asty), das Binnenland (Mesógeion) und die Küste (Paralía), beruhten. Jede dieser Regionen war in zehn Untereinheiten (Trittyen) gegliedert. Die neuen Phylen, zusammengesetzt aus je einer Trittys aus Athen, dem Binnenland und der Küste, bildeten nun die Grundeinheit der politischen Vertretung (jede Phyle stellte 50 Abgeordnete für den neu geschaffenen Rat der 500) und der militärischen Organisation. Die neue Phylenordnung wurde ergänzt durch die Einteilung Attikas in 139 Gemeinden (Demen) als lokale Selbstverwaltungskörperschaften.
 
Ob die Phylenreform in erster Linie die Erweiterung der kleisthenischen Gefolgschaft oder die Demokratisierung des immer noch von mächtigen Adelscliquen beherrschten Staatslebens zum Ziel hatte, ist unklar. Ihr Ergebnis war jedenfalls einmal die Schwächung der auf lokalen Gefolgschaften beruhenden politischen Macht des Adels und die Verhinderung von regionalen Parteibildungen, sodann die politische Aktivierung breiter Bevölkerungsschichten durch die Institution des Rats, dessen 500 Mitglieder jährlich wechselten.
 
Eine weitere bedeutende, von der späteren Überlieferung Kleisthenes zugeschriebene Neuerung war das Scherbengericht (Ostrakismós), das erstmals für das Jahr 487 belegt ist. Jedes Jahr wurde in einer Volksversammlung die Frage gestellt, ob ein Ostrakismós durchgeführt werden solle; fiel die Antwort positiv aus, so wurde etwa zwei Monate später in der Volksversammlung in der Art darüber abgestimmt, dass jeder Bürger (bei einem Quorum von 6000 Stimmen) den Namen eines Politikers auf eine Tonscherbe ritzte. Derjenige, auf den die Mehrheit der Stimmen entfiel, wurde für zehn Jahre ohne Verlust seines Eigentums aus Attika verbannt. So sollte vermutlich die langfristige persönliche Machtsteigerung einzelner Adliger verhindert werden.
 
II
Kleisthenes,
 
griechisch Kleisthẹnes, griechische Staatsmänner:
 
 1) Kleisthenes, Tyrann von Sikyon (um 600 bis etwa 570 v. Chr.), Großvater von 2); nahm am 1. Heiligen Krieg teil. Bei der Brautwerbung um seine Tochter Agariste, zu der Freier aus der ganzen hellenischen Welt kamen, errang der Alkmaionide Megakles den Preis.
 
 2) Kleisthenes, athenischer Staatsmann des 6. Jahrhunderts v. Chr., aus dem Haus der Alkmaioniden, Sohn des Megakles und der Agariste, Enkel von 1); bewirkte mithilfe des Orakels von Delphi die Vertreibung des Hippias (510) und schuf 508/507, nach Vertreibung des Isagoras, durch eine neue Verfassung die Grundlagen der athenischen Demokratie. Die in Demen (Demos) gegliederte Bürgerschaft wurde in zehn neue Phylen zusammengefasst, von denen jede aus je einem Bezirk (Trittys) der Stadt, der Küste und des attischen Binnenlandes bestand. Jede Phyle entsandte 50 Mitglieder in den neuen Rat der Fünfhundert. Auch der Ostrakismos geht wohl auf Kleisthenes zurück.
 
 
P. Lévêque u. P. Vidal-Naquet: Clisthène l'Athénien (Neuausg. Paris 1973);
 Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen (1980);
 P. Siewert: Die Trittyen Attikas u. die Heeresreform des K. (1982);
 J. Bleicken: Die athen. Demokratie (1986).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
griechische Städte und Staaten
 

Universal-Lexikon. 2012.

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